Bert Didillon
Whatever
11.03. - 29.04.2017 

Auch in seiner zweiten Einzelausstellung bei GRÖLLE pass: projects lässt Bert Didillon Kunst und Alltagswelt kollidieren. Profane Materialien und der Gebrauch gefunder Gegenstände prägen seine Objekte, die den Grenzbereich von Bild und Skulptur erforschen. Seine Experimente vereinigen dabei oft scheinbar Widersprüchliches. Modernismus trifft auf Bricolage, konzeptuelles Vorgehen auf prozessuale Offenheit.


 

Die Arbeiten wecken Erinnerungen an Bekanntes und entziehen sich gleichzeitig einer eindeutigen Kategorisierung. Mit einem Faible für lakonischer Einfachheit und einer pragmatischen Haltung zur Tradition versucht Didillon neue künstlerische Möglichkeiten auszuloten. Bert Didillon studierte Malerei und Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Fritz Schwegler und Alfonso Hüppi.
 

Thomas Hirsch
ENGELS : Kino, Kultur Wuppertal

Geschichten von Oberflächen
Was für eine Farbe mitten im Ausstellungsraum: Rosa, aufgetragen auf ein Holzgestell auf Rollen, welches also verschiebbar ist. Die kantigen Holzstücke, die in den Rahmen hineinragen, scheinen wild zusammengezimmert. Aber dann wird klar, wie exakt Bert Didillon sie aufeinander bezogen hat, und wie stabil sie sich halten. Und doch scheint alles – fast erzählerisch – in Aufruhr. Das Rosa, das sich doch zwischen allen Stühlen verhält, besitzt die faktische Präsenz eines Überzugs, und man ahnt, wie genau der Ton ausgelotet ist. In der vorsichtigen Bedachtheit aller Teile kommen mögliche Referenzen in den Sinn, besonders zum russischen Konstruktivismus, der mit seiner reduzierten Formsprache und seinen Beiträgen im angewandten Bereich überhaupt ein wichtiger Bezug für Bert Didillon ist. Natürlich, da sind auch „Das große Glas“ von Marcel Duchamp und mit der vermeintlichen Sperrholz-Ästhetik Kurt Schwitters. Oder klingt hier nicht vielmehr – wenn man auf das Kreissegment im oberen Winkel schaut – Tom Wesselmann mit seinen Landschaftsausschnitten vor untergehender Sonne an? Sollte man das Gestell nicht vor ein Fenster schieben? Überhaupt, was ist Vorderseite und was ist Rückseite? Und dann fallen die kleinen Episoden des Imperfekten auf. Die rosa Farbspritzer auf den schwarzen Gummirollen und das „Gebastelte“, das sich an der Grenze zwischen Funktion und Unsinnigkeit, gewöhnlich und seltsam, profaner Do-It-Yourself-Ästhetik und Überhöhung zum Luxus verhält.

Bert Didillon ist Maler, mit einem feinen Gespür für Texturen. Seine Oberflächen kennzeichnet der kompositorische Umgang mit Strukturen und die farbliche Nuance auch dort, wo man nicht von Farben sprechen würde, weil es wie ein Materialton wirkt. Buntfarbigkeit ist eher die Ausnahme, auch in der Ausstellung in Elberfeld. Schwerpunkt sind dort die Wandstücke, die wie aufgefaltete Kartonagen oder Schutzverkleidungen wirken. Zu den Rastern und Rillen kommen Schichtungen einzelner Flächen, befestigt mit Schrauben und Klammern, deren Erscheinung durch den homogenen Farbüberzug zurückgenommen ist, sowie gleichförmige Aussparungen, wobei in der Schwebe bleibt, ob Didillon vorgefundene flächige Partien wegen dieser Öffnungen ausgewählt hat, oder sie selbst zugeschnitten hat. Immer aber bezieht er sich auf unsere urbane Umgebung. Dazu verwendet er bevorzugt Pappen, Plastikfolien, Kunststoff und Holzgründe. Wir sehen Dinge, die wir sonst nicht wahrnehmen, die er herausgegriffen und sozusagen isoliert hat.

Das trifft auch auf die beiden Stapel aus Körben und Transportgefäßen zu, die am Ende der Ausstellung wie abgestellt wirken, als gehörten sie gar nicht dazu. Vorbereitet aber durch die Wandarbeiten mit ihren Überlagerungen, Schlitzen und kreisrunden Öffnungen, wird auch bei diesen „Gefäßen“ deutlich, dass nichts so ist, wie es scheint, und alles seinen inneren Sinn hat. Und ganz aus der Nähe lässt sich erkennen, dass selbst die Farbe von Bert Didillon aufgetragen wurde. Die industrielle Künstlichkeit des Massenprodukts erweist sich tatsächlich als von Hand erarbeitetes Unikat und dadurch als exquisites Kunstwerk.

Bert Didillon, der in Köln lebt, wurde 1965 geboren. Er hat an der Kunstakademie Düsseldorf bei Fritz Schwegler und Alfonso Hüppi studiert: zwei Professoren, die sich selbst nicht auf ein einziges künstlerisches Medium festgelegt haben, nach dem Besonderen im Alltäglichen suchen und dies für sich in relativ spielerischen Werken umsetzen. Bert Didillon nun nimmt die Mittel seiner Kunst sogar aus dem Alltag und ist in der Umsetzung ausgesprochen streng, vielleicht weil er mit seinen Werken urbane Grundlagenforschung betreibt und dabei die Tradition der künstlerischen Moderne im Hinterkopf hat. Er stellt jetzt zum dritten Mal bei den Grölle pass:projects aus. In der Region wurden seine Wandobjekte darüber hinaus auf der Bergischen Kunstausstellung im Kunstmuseum Solingen gezeigt – und machten auch dort Vergnügen. So lapidar, unauffällig seine Sachen zunächst wirken, so unverwechselbar sind sie doch: Sie prägen sich ziemlich tief ein.

Thomas Hirsch